Preiswerter Rohrkrepierer oder hilfreiches Feature? Weitwinkelvorsatzfilter sind in der Fotografie allgegenwärtig. Doch wie gut funktioniert eine Linse für 19 Euro vor einem Projektor? Sind damit im Heimkino wirklich größere Bildbreiten möglich? In diesem Test gehe ich dem Thema auf den Grund.
Viele Heimkinofreunde kennen das Problem: Der stolze Besitzer wünscht sich ein größeres Bild. Trotz Zoomobjektiv gelingt es allerdings nicht, die Wunschbildbreite zu realisieren. Entweder weil der Projektor zu nah an der Leinwand steht, oder die Brennweite des Objektivs ist der limitierende Faktor. Am leichtesten ist es zu Hause, den Beamer ein paar Meter nach hinten zu stellen – nur geben das viele Räumlichkeiten nicht her. Oftmals ist der Projektor auch schon an der Rückwand installiert. Was kann der Großbildfreund also tun? Ein Mauerdurchbruch in einer Mietwohnung ist keine ernstzunehmende Option, weil diesen kaum ein Vermieter gestatten wird.
Es gibt Lösungen: In der Fotografie gibt es schon seit Jahren Weitwinkel-Vorsatzlinsen, die einfach vor das Kameraobjektiv geschraubt werden. Diese funktionieren sehr gut und sorgen dafür, dass die Brennweite „kleiner“ wird. Für Projektoren funktionieren Weitwinkelobjektive ganz ähnlich. Was liegt also näher, als so eine Vorsatzlinse für Kameras vor das Projektorobjektiv zu schrauben? Das habe ich getan mit einer Walimex Weitwinkel-Vorsatzlinse für unter 20 Euro.
Das Problem
Meine Leinwand besitzt eine sichtbare Bildbreite von 3,20 Meter, wovon ich gerade mal 2,80 Meter nutzen kann. Mehr gestattet der JVC DLA-NZ8 nicht. Weiter zurück stellen kann ich ihn nicht, weil er bereits mit dem Rücken fast die Wand berührt. Trotzdem würde ich gerne die Leinwandfläche von 3,20 Meter ausleuchten.
Gute Weitwinkelkonverter und Anamorphoten aus dem Pro-Bereich kosten zwischen 2.000 und 8.000 Euro. Zuviel für 20 Zentimeter mehr Bildbreite. Für das Geld fliege ich lieber mehrmals im Jahr mit meiner Frau in den Urlaub. Darüber hinaus haben Weitwinkelkonverter auch Nachteile. Ein von mir getesteter Isco (2.000 Euro neu) schluckte rund 15 Prozent an Lichtausbeute und das Bild büßte sichtbar an Plastizität und Randschärfe ein. Für mich stehen hier Preis und Leistung nicht mehr im Verhältnis. Ein Anamorphot von Panamorph überzeugt mich hingegen vollständig, hat aber mit 8.000 Euro seinen (berechtigten) Preis.
Die Lösung
Ich habe mir von Walimex eine Weitwinkel-Vorsatzlinse für Kameras gekauft. Diese Linse hat einen Durchmesser von 72 Millimeter. Sein Vergrößerungsfaktor beträgt rechnerisch 0,45-Mal. Neupreis: 36 Euro. Aktueller Straßenpreis: 19 Euro!
Die Montage erfordert Kreativität, weil das Objektiv meines Projektors kein Schraubgewinde besitzt. Schade, denn mit dem passenden Adapter (um 20 Euro) wäre die Installation kinderleicht.
Nun habe ich eine andere Lösung gefunden: Ich habe die Staubschutzkappe des Objektivs genommen und habe ein Loch hineingeschnitten. Das Loch ist so groß bemessen, dass die Weitwinkel-Vorsatzlinse darauf „festgeschraubt“ werden kann.
Um das mal zu veranschaulichen:
Tipp: Sollte die Konstruktion keinen richtigen Halt haben, kann zusätzlich noch ein zugeschnittener Kabelbinder in die Objektivkappe eingelegt werden. Auf diese Weise wird die Kappe etwas „enger“ und sitzt fester auf dem Objektiv.
Das Ergebnis
Schlagartig wird das Bild auf der Leinwand größer, sobald die Walimex Weitwinkel-Vorsatzlinse am Projektor befestigt ist. Aber das Bild ist zunächst völlig unscharf. Der Fokus-Regler muss schon sehr großzügig betätigt werden, bis das Bild auf der Leinwand scharfgestellt ist. Hierbei ist ein behutsames Vorgehen vonnöten. Nicht weil die Vorsatzlinse vom Objektiv fallen könnte. Das tut sie nämlich nicht, weil sie fest genug sitzt. Der Grund ist der veränderte Schärfebereich. Wer wie üblich nur die Bildmitte fokussiert, erhält höchstwahrscheinlich massiv unscharfe Ränder. Bei meinem Projektor ist es so, dass zuerst die Seitenränder scharf sind. Ich fokussiere daher behutsam weiter, bis auch die Bildmitte perfekt ist. Der Sweetspot ist überaus gering. Wird der Schärferegler nur minimal weiter gedreht, bleibt zwar die Mitte gestochen scharf, aber die Ränder werden zunehmend unschärfer. Mit ein wenig Fingerspitzengefühl ist hier ein ordentliches Ergebnis möglich (siehe Fotos unten).
Messungen und Diagramme
Der optische Eindruck ist bereits vielversprechend. Meine Leinwand wird jetzt wie gewünscht mit 3,20 Meter vollständig ausgeleuchtet. Ich habe sogar noch ein wenig „Reserven“ im Zoom. Das Bild vergrößert sich mit der Walimex von 2,80 Meter auf bis zu 3,30 Meter. Davon nutze ich aktuell 3,20 Meter Leinwandbreite. Das sind gut 17 Prozent mehr. Je größer der Abstand der Linse zum Objektiv wird, desto breiter wird das Bild projiziert.
Der On/Off-Kontrast bleibt unverändert durch das Filter. Der ANSI-Kontrast liegt mit – 2,5 Prozent im Rahmen üblicher Messwiederholungen. Die Lichtausbeute nimmt nach der Kalibrierung 8 Prozent ab. Das sind alles vortreffliche Werte.
Testbilder offenbart Stärken und Schwächen
Während die Messungen durch die Bank überzeugen, decken meine Testbilder ein paar Defizite deutlich auf. Gleichwohl in „Cuella“ kaum Einbußen in der Bildqualität auffallen, sind diese nun auch subjektiv klar ersichtlich. Hierbei handelt es sich um eine nicht homogene Schärfeverteilung, die zu den unteren Bildrändern leicht abnimmt, und um Kissenverzerrungen, wie sie bei vielen Anamorphoten auftreten.
Bildeindrücke
Spielfilme von der 4K-Blu-ray im CinemaScope-Format und 1,85:1-Seitenverhältnis, Fotoaufnahmen und Live-Sport-Events in 16:9 beeindrucken durch das größere Bild auf der Leinwand. In „Cruella“ leuchtet das Disney-Logo am Anfang vor der Schwarz/Weiß-Szenerie des Schlosses knallrot in erweitertem UHD-Farbraum Rec.2020/P3. Als Cruella den kleinen Modeladen entdeckt besitzt das Bild eine vorzügliche Brillanz ohne Filter. Mit Walimex Weitwinkel-Vorsatzfilter wird das Bild deutlich größer, so dass ich noch tiefer ins Geschehen eintauchen kann. Plastizität und Farbbrillanz bleiben erhalten, nach der Kalibrierung. Die leichten Defokussierungen in den Ecken, die auf dem Testbild klar und deutlich aus nächster Nähe zu sehen sind, spielen in diesem Film keine Rolle. Auch „Tenet“, „Star Wars“ und „Oblivion“ gefallen mit einem sehr homogenen Schärfeeindruck über die gesamte Fläche. Bei Live-Sport sind Einblendungen an den Bildrändern bestens zu lesen. Lediglich die Farbsättigung für HDR-Content habe ich minimal erhöht/angepasst im Rahmen der Kalibrierung.
Die Folge
Nach dem überaus umfangreichen Testprozedere steht mein Ergebnis fest: Die Walimex Weitwinkel-Vorsatzlinse bleibt weiterhin am Projektor befestigt. Der optische Gewinn durch das größere Bild überwiegt gegenüber den zweifelsfrei vorhandenen Nachteilen durch die Linse. Selbst wenn der Beamer nicht neu kalibriert wird, sind die Farbabweichungen so gering mit 1 bis 3 Prozent, dass diese selbst im direkten A/B-Vergleich kaum zu sehen sind. Chromatische Aberrationen durch die Vorsatzlinse sind mir nicht aufgefallen. Letztendlich habe ich mein Ziel erreicht: Ich kann meine 3,20 Meter breite Cinemascope-Leinwand nun vollständig ausleuchten – und so richtig tief ins Filmgeschehen eintauchen.
Walimex Pro MC AF Digital Wide Converter 72 mm mit Projektoren von Epson und Sony
Inzwischen habe ich zusätzlich Erfahrungen mit anderen Projektoren gesammelt. Auch mit den Modellen von Epson und Sony funktioniert die Walimex Pro MC AF Digital Wide Converter 72 mm einwandfrei. Allerdings reichen weder bei Epson noch bei Sony die Regelbereiche ab Werk aus, um das Bild auf der Leinwand zu fokussieren, wenn die Weitwinkel-Linse plan auf dem Objektiv des Projektors montiert ist. Doch auch dafür habe ich eine Lösung parat.
Die Lösung:
Für Sony- und Epson-Projektoren muss die Linse mit ein wenig Abstand vor dem Objektiv befestigt werden, um in den Regelbereich des Fokus zu kommen. Wenige Zentimeter reichen bereits aus, um das Bild knackscharf auf der Leinwand abzubilden.
Fazit
Walimex bietet mit der Weitwinkel-Vorsatzlinse einen echten Problemlöser für das Heimkino. Wer den Aufwand nicht scheut, diese Linse am oder vor dem Projektor zu befestigen, erhält für sehr kleines Geld ein deutlich größeres Bild auf der Leinwand. Dass diese Linse nicht mit 8.000 Euro teuren Profi-Optiken mithalten kann, versteht sich von selbst. Ein paar Defizite wie Kissenverzug und nicht 100-Prozent gleichmäßige Schärfe über die gesamte Bildfläche sind hinzunehmen. Für einen Straßenpreis von unter 20 Euro bietet der Pro MC AF Digital Wide Converter allerdings ein fast schon sensationelles Preis/Leistungsverhältnis – und ist allemal einen Versuch wert.
Ausstattung und Messungen
Hersteller: Walimex
Name: Pro MC AF Digital Wide Converter
Preis: 19 Euro
Größe: 7,20 Zentimeter
Kategorie: Weitwinkel-Vorsatzfilter
Material: Glas in Fassung mit 72-mm-Schraubgewinde
RGB Niveau: Rot 102 %, Grün 101 %, Blau 97 %
Kontrast: – 2,5 %
Lichtausbeute: 92 % (- 8 %)
Vergrößerung: ab 11,5 % (je nach Abstand zum Objektiv)
Pro & Contra
+ Preis
+ geringer Lichtverlust
+ sehr gute Farbwiedergabe
+ ab 11 % breiteres Bild
+ Schraubgewinde
– leichter Kisseneffekt
– Schärfeeinbußen in den Ecken
Test und Text: Michael B. Rehders
Fotos: Michael B. Rehders (3), Hersteller (1)
Screenshots: Michael B. Rehders (3), Cruella (Walt Disney)
Nachtrag 05. April 2023:
Da es die Linse aktuell von Walimex nicht mehr in den Größen 72 bis 77 Millimeter neu gibt, empfehle ich die baugleiche Linse von Zomei. Ich habe sie hier ausführlich untersucht und exakt die gleichen Messergebnisse ermittelt. Übrigens passt die 77-mm-Variante in den Objektivdeckel des JVC DLA-NZ8.
Der Preis liegt bei etwa 50 Euro.
Ich nutze sie aktuell und bin super zufrieden.