Die IFA ist die erste Messe in Deutschland, die nach Verhängung der Corona-Pandemie bedingten Kontaktbeschränkungen stattfindet. Warum die Funkausstellung wichtig ist, was sie für Aussteller und Besucher bedeutet, das habe ich mir vor Ort angesehen.
IFA „Special Edition“ – 13 Aussteller in einer halben Halle
Der Veranstalter nennt die IFA im Jahr 2020: „Special Edition“. Übertragen auf eine Blu-ray verstehe ich darunter: Mehr Ausstattung, Vielfalt, Inhalte, Produktvorstellungen und einen längeren Zeitraum. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Während im vergangenen Jahr rund 2000 Aussteller vertreten waren, sind es in diesem Jahr 13 Aussteller. Kamen 2019 noch ca. 245.000 Besucher, sind es in diesem Krisenjahr maximal 3000 Besucher. Mehr lassen Hygieneverordnung und Abstandsbestimmungen nicht zu. Bei den Gästen handelt es sich ausschließlich um Fachbesucher und wenige ausgewählte Pressevertreter. Die Allgemeinheit bleibt außen vor.
Ich bin als Journalist dabei und berichte vom ersten Messetag:
Anstatt fünf Messetage sind es diesmal nur drei; vom 3. – 5. September.
Während 2019 noch alle 26 Messehallen genutzt wurden, sind es in diesem Jahr gerade einmal vier Hallen. Präziser: Es sind lediglich die zweiten Etagen. Die Erdgeschosse bleiben ungenutzt.
In zwei Hallen finden abwechselnd die großen Pressekonferenzen statt, eineinhalb Hallen sind für Catering und Gesprächsmöglichkeiten vorgesehen. Lediglich in einer halben Halle verteilen sich die Stände von 10 Ausstellern plus drei Nachrichten-Sendern.
Nach einer ersten Enttäuschung, die sich in mir ob der geringen Größe breit macht, sehe ich mal genauer hin. Ein paar wenige echte Highlights gibt es schon.
Aber der Reihe nach:
Hygienekonzept erfolgreich
Im März 2020 wurden umfangreiche Kontaktbeschränkungen in Deutschland durchgesetzt, um die weltweit grassierende Corona-Pandemie einzudämmen. Dazu gehörten, dass u. a. Kinos, Messen, Theater, Diskotheken und Sportstätten in Deutschland schließen mussten. Seit diesem Zeitpunkt sind zahlreiche Messebauer, Veranstaltungstechniker, Moderatoren, Event-Fotografen und viele andere Menschen, die in der Unterhaltungs-Branche tätig sind, ohne Einnahmen. Fixkosten laufen vielfach weiter, so dass Rücklagen teilweise aufgezehrt sind nach dieser langen Zeit.
Um die Internationale Funkausstellung in Berlin durchführen zu können, haben sich die Veranstalter ein Hygienekonzept überlegt, das sehr gut umgesetzt wird vor Ort.
Dazu gehören:
– Eintritt nur für vorab registrierte Personen, die sich vor Ort ausweisen müssen
– Ampelregelungen vor jeder Halle. Diese signalisieren mit rotem Licht, wenn die Maximalanzahl an Besuchern erreicht ist
– Zahllose Desinfektionsspender sind gut sichtbar platziert
– Mund- und Nasenschutzpflicht auf dem gesamten Messegelände
– Toilettenreinigung nach jedem Benutzer
– Maximal 1000 Besucher pro Tag
Das Konzept funktioniert. Ich fühle mich ab der ersten Minute sicher. Wer keinen Mundschutz besitzt, dem wird einer ausgehändigt. Abstandsregeln werden weitestgehend eingehalten.
Corona allgegenwärtig: Wenige Aussteller, große Highlights
Wer neue Laser-TV-Geräte mit 8K-Auflösung sehen will oder riesige XXL-Bildschirme mit Dolby Vision, wird auf der Funkausstellung in diesem Jahr nicht fündig. Auf dem gesamten Messegelände wird kein einziger Fernseher ausgestellt, keine Lautsprecher und keine Projektoren.
Unternehmen wie Samsung und Philips nutzen die IFA zwar, um Pressemeldungen zu versenden, sind jedoch nicht selbst vor Ort.
Das ist der Grund: Üblicherweise beginnen bereits im April die finalen Vorbereitungen für die Funkausstellung. Standplatz, Hotelzimmer, Flüge, Messebauer, Equipment, Messestand, Speaker und Hostessen werden kostenpflichtig gebucht. Personal wird geschult, Neuheiten aus aller Welt werden produziert und herangeschafft. Werbemittel werden erstellt und Werbespots geschaltet. All das wollten zahlreiche Unternehmen nicht Ende April machen, weil zu diesem Zeitpunkt die Pandemie weltweit einen Höhepunkt erreicht hatte. Ein Ende war zu diesem Zeitpunkt nicht abzusehen. Mitarbeiter sollten geschützt werden, vor allem die Risikogruppen.
Aus Übersee und Asien hagelte es Absagen.
Trotzdem finden sich noch 10 Aussteller ein – und die hatten ein paar bemerkenswerte Produkte im Gepäck.
Allgegenwärtig: Künstliche Intelligenz
Ein Höhepunkt der IFA ist die Pressekonferenz von LG.
Gleichwohl LG mit keinem Messestand vertreten ist, lässt das Unternehmen es sich nicht nehmen, Neuheiten auf der Funkausstellung vorzustellen.
Ebenso innovativ wie die Produkte rund um Künstliche Intelligenz (KI), ist der Auftritt von Dr. IP Parks, Präsident & CIO von LG Electronics. In einer schwarzen Box tritt er vor das Publikum – als Hologramm in Lebensgröße. Er führt die neue LG ThinQ-App vor, eine benutzerorientierte Lösung auf Basis Künstlicher Intelligenz. Vom Kundensupport über den Kleiderkauf bis hin zur Analyse von Geräten wird der Anwender unterstützt. Sogar Wartungs- und Reparaturhinweise kann die KI-App geben.
JVC präsentiert Dolby-Atmos-Kopfhörer und HDR-Update für Projektoren
JVCKENWOOD ist mit einem kleinen Stand vertreten, auf dem der Mehrkanal-Kopfhörer XP-EXT1 vorgestellt wird.
Ein großes Heimkino gibt es in diesem Jahr nicht. Trotzdem wird mir gegenüber verkündet, dass es für die Projektoren der JVC DLA-N-Serie eine Neuheit gibt. Das bewährte dynamische Tone Mapping für HDR erhält ein spannendes Update. Ab November soll es kostenlos zum Download verfügbar sein. Damit schiebt JVC erneut ein Tool nach, um die Performance der Projektoren zu verbessern. Nach dem Statischen Tone Mapping für HDR zur Markteinführung (September 2018) der N-Serie, folgte 2019 mit Frame Adapt HDR ein kostenloses Firmware-Update, mit dem Dynamisches Tone Mapping möglich ist. Dieses Feature wird jetzt verfeinert. Mit Hilfe von Angaben zur Leinwandbreite und Gainfaktor soll die Performance, des bereits Plug & Play funktionierenden Features, noch einmal sichtbar verbessert werden.
Smart-Home: Vernetztes Zuhause
Das deutsche Unternehmen TP-Link hat sich auf Netzwerk- und Zubehörprodukte spezialisiert. Ein Highlight ist der Deco X80-5G Wi-Fi-Router. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu fünf Gbit/s und einer Latenzzeit mit nur einer Millisekunde ist es vorgesehen für bandbreitenintensive Anwendungen im ganzen Haus. Das sind beispielsweise VR und 4K/8K-Video, Streaming und Liveanwendungen. Filme in UHD-Auflösung und HDR können in alle Räume kabellos übertragen werden.
Huawei: Smartphone mit Notebook koppeln
Den größten Messestand auf der Funkausstellung hat Huawei. Im Fokus stehen das neue Smartphone P40 Pro und das Matebook X Pro. Das Besondere an den Mobil Devices ist, dass diese im Handumdrehen miteinander gekoppelt werden können. Das Smartphone wird dafür lediglich kurz über das Notebook gehalten und schon verbinden sich die Geräte. Es können Daten hin und her geschoben werden, das Display des P40 Pro kann auf dem Matebook X Pro gespiegelt werden. Fotos, Filme und Serien können auf diese Weise ganz leicht ausgetauscht werden.
ReSound: Besser hören
Der dänische Hörgeräte-Hersteller GN ReSound stellt eine Weltneuheit auf der Funkausstellung vor. Erstmals gelingt es einem Unternehmen, ein Hörgerät so zu konzipieren, dass Schallwellen direkt im Ohr aufgenommen werden und nicht nur außerhalb, wie es allgemein üblich ist bei medizinischen Hörgeräten. Dadurch werden störende Umgebungsgeräusche reduziert und Gespräche sowie Musik tönen viel natürlicher. Ermöglicht wird diese Technologie mit einem zusätzlichen Mini-Mikrofon, das direkt im Gehörgang platziert wird. Der Amplitude beträgt ca. 120 bis 10.000 Hz. Darüber hinaus hat der Träger die Möglichkeit, den Sound von Android Smartphones, iPhone, TV und Musikanlage direkt ins Ohr zu streamen.
Bissell: Der Dreck muss weg!
Wer sein Heimkino mal richtig pflegen möchte, dem bietet das US-Unternehmen Bissell eine Neuheit: Einen akkubetriebenen Nasssauger, der das Parkett gleichzeitig auch noch „feudelt“.
Satisfyer: Spaß mit Dildos
Den zweitgrößten Messestand hat die Firma Satisfyer. Präsentiert werden dort Höhepunkte der besonderen Art: Dildos in allen erdenklichen Größen, Formen und Materialien. Smartfunktionen, wie eine App-Steuerung, sind inklusive. In Fernbeziehungen kann der Partner damit das Lustspielzeug seiner Liebsten steuern. Überdies kann die Aktivität durch Musik oder von fremden Personen übernommen werden. Frei nach dem Motto: „Can i feel a stranger‘s orgasm?“ – Na, wem es gefällt.
Gefallen hat es zweifelsfrei zahlreichen Besuchern. Nach anfänglicher Skepsis und argwöhnischen Blicken aus der Ferne, füllte sich der Satisfyer-Stand relativ schnell. So viel mediale Aufmerksamkeit dürfte Satisfyer auf Erotikmessen kaum erhalten. Dank der wenigen Aussteller wird halt über alles berichtet, was ausgestellt wird. Sogar über Dildos – die irgendwie ja auch Home Entertainment sind… Sex sells.
Fazit
Die Internationale Funkausstellung ist in diesem Jahr etwas Besonderes. Sie ist kleiner, es gibt nur wenige Aussteller und kaum Neuerungen. Der Grund dafür ist die weltweite Corona-Pandemie. Trotzdem halte ich die erste große Messe für wichtig, die in Deutschland seit März 2020 stattfindet. Nicht nur, weil das Hygienekonzept funktioniert. Es wird vielmehr der vorhandene Zeitgeist in Berlin getroffen. Die IFA ist für Aussteller und Besucher ein erster großer Schritt in Richtung Normalität. Ich hoffe, dass weitere Messen und Events folgen. Die Internationale Funkausstellung zeigt eindrucksvoll, dass es geht.
Text und Fotos: Michael B. Rehders